Die Rheinpfalz, Freitag 04.01.2002

FEINER JAZZ GEPRÄGT VON ZWEI CHARAKTEREN

Blue Note Big Band bietet "verspätetes" musikalisches Neujahrs-Feuerwerk im Saalbau in Neustadt

Blue Note, der Name der Orchesters, steht für das Zeitgenössische in der Big-Band-Musik, für einen modernen runden Sound, durchsetzt mit klanglichen Experimenten, stets frisch präsentiert von der wirklich überragenden "Amateur"-Band.

Amateure sind die Musiker um Bernd Gaudera eigentlich schon lange nicht mehr. Zumindest was ihren Sound anbelangt, kann sich diese Big Band längst mit ihren Vorbildern messen lassen. Der Zuspruch im Saalbau belegte dies sehr eindrucksvoll.

Los ging es mit dem Stück "Big Dipper", was so viel wie "Großer Wagen" bedeutet - und gleichzeitig einen großen Einstieg ins Programm bot. Hier wurde deutlich, dass die Maxime, "zeitgenössisch" zu interpretieren, ernst genommen wird. Ziemlich genau dieser Vorstellung gerecht wurde auch die Komposition "Childrens Choire", die Marco Lackner für Tuba und Big Band geschrieben hatte. Das Stück widmete er einem Freund, der Kinder eigentlich nicht besonders mag. Solist war Stefan Weis, eigentlich Posaunist in den Reihen der Band.

Weis ist einer der Musiker, die für Vielseitigkeit stehen. Wenn ein Instrument aus Blech gefertigt ist, dann spielt Stefan Weis es auch, Ventile oder Züge, das ist ihm egal. Bei all der Vielfalt hat das, was er bietet, aber immer Stil und Klasse, überzeugt er durch Klang und technische Umsetzung. So wurde der "Kinderchor" zum Genuss, das Ausnahmestück zu einem bleibenden Erlebnis. Einen Anteil an diesem Erfolg hatte gerade bei diesem Stück auch Bastian Greschek, der das Solo mit der Bassposaune mitspielte, allerdings mit seinem Instrument an diesem Abend einer der Musiker war, die im Hintergrund bleiben, unauffällig ihren Part beitrugen und die Blue Note zu dem machen, was sie ist.

Frontfrau Michaela Pommer versetzte daneben mit ihrer Stimme den Saal in Euphorie. Holger Nell lobte die Sängerin, die ohne Studium ihre Stimme gebildet hat, als "eine Solistin, bei der man merkt, dass der Gesang vom Herzen kommt". Schöner könnte man es kaum beschreiben. Lieder wie "Honeysuckle Rose" oder "I Love You Porgy" gestaltete Michaela Pommer mit ihrer rauchig zarten Stimme in gewohnt perfekter Manier, bewies so, dass Nell Recht hatte.

Für die Band spricht zudem, dass sie in einem Konzert mit zwei völlig unterschiedlichen Leadern arbeiten kann, die weit von einander abweichende Stile von Holger Nell und Marco Lackner absorbiert. Nell ist gradlinige, führt mit großer Geste, während Lackner anscheinend die weichen Elemente in seinem Dirigat bevorzugte. Klar, dass beide Dirigenten auch mit Soli auf sich aufmerksam machten. Holger Nell zauberte rund zehn Minuten auf dem Drum-Set ganz alleine allumfassenden Sound in den Saalbau, Marco Lackner zelebrierte die "Ballad for a Friend", die Peter Herbolzheimer für Stan Getz geschrieben hat, die der berühmte Musiker vor seinem Tod aber nie spielen konnte. Weitere Solisten, die mehrfach durch ihre soliden Leistungen überzeugten, waren Andreas Hoffmann, Jürgen Schemel (Flügelhorn und Trompete) und Michael Gilb (Tenorsaxophon).

Selbst unplugged, postiert am Bühnenrand, gefiel die Blue Note Big Band bei der zweiten Zugabe, hier konnten die Zuhörer bei "Thank you for the music" (Abba) erleben, woher die Klangbasis kommt, die diese Band zu einem so besonderen Ensemble macht. (jös)